Lust auf Gestalten? Raus aus der Opferecke! Wie Sie die Opferecke verlassen und Ihre Gestaltungskraft stärken

Manchmal finden wir uns im Opfereck wieder. Die Welt hat sich gegen uns verschworen, alle machen etwas anderes als wir wollen, in der Arbeit passieren Dinge, die unsere Pläne über den Haufen werfen, wir sind überfordert mit dem Alltag und selbst das Vergnügen erweist sich in unserem Inneren als lästige Pflicht. Willkommen im Opfereck!

Im Opfereck ist unser Erleben geprägt vom „ich muss“ und „ich soll(te)“. Der Tag fühlt sich an wie eine Aneinanderreihung von Verpflichtungen, die keine Freude machen – schließlich handeln wir nicht souverän, gemäß eigenem Gutdünken und Präferenzen, sondern unter einem Gefühl äußeren Zwangs. Es sind die anderen, deren Handlungen uns unter Zugzwang setzen, während wir selbst zu Opfern der Umstände werden (oder auch zu Opfern unserer eigenen normativen Vorstellungen). Kommt Ihnen das vertraut vor?

Das leise Programm im Hinterkopf: Jammertal oder eigene Wege? 

Wenn Sie überprüfen wollen, ob auch Sie in Ihrem Hinterkopf ein leises Programm laufen haben, das Sie zuverlässig in die Opferecke führt, dann probieren Sie folgendes: Denken Sie an Ihren Tagesablauf und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den inneren Monolog, den jede* von uns mit sich selbst führt – auf jenen Gedankenstrom, der unser Tun und Fühlen begleitet. Denn dieser verrät Ihnen einiges darüber, in welchen mentalen Mustern und inmitten welcher inneren Überzeugungslandschaft Sie sich durch den Tag bewegen. Und ob Ihre Landschaft von Opfertum und Jammertal oder von frei gewählten Wegen geprägt ist.

Achten Sie darauf, wie oft die Formulierung „ich muss“ in Ihrem inneren Monolog auftaucht, selbst wenn es sich um erfreuliche, jedenfalls selbst gewählte Vorhaben handelt („Ich muss heute Abend noch zum Geburtstagsfest einer Freundin“). Wenn Sie verdächtig oft ich-muss-Formulierungen wahrnehmen ist es Zeit, etwas für Ihre Gestaltungskraft zu tun, damit die Opferecke kein ständiger Aufenthaltsort wird.

Ein Paradoxon: Warum uns Müssen entlastet – aber trotzdem fängt

Das Verweilen in der Opferecke birgt zunächst einmal große Vorteile für die eigene Psychohygiene: ein Opfer ist schließlich per definitionem frei von Verantwortung, und das entlastet! Aber es birgt auch Gefahren, denn Sie verpassen die Möglichkeit, Herrin* Ihres eigenen Lebens zu werden.

Denn nur wer Entscheidungen frei trifft erlebt sich als Gestalterin und in Übereinstimmung mit sich selbst. „Selbstwirksamkeit“ nennt man in der Psychologie ein Konzept, das beschreibt wie sehr man sich selbst als Akteurin mit eigenem Wirkvermögen erlebt: als Person, die die Umwelt beeinflussen kann.

Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugung erleben sich nicht als Getriebene, sondern als Gestalterinnen und Gestalter, deren Entscheidungen Wirkung entfalten. Und dies führt (verkürzt gesagt) zu mehr Selbstwert und weniger Depression. Natürlich kostet dieser Deal etwas: Im Gegenzug übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Entscheidungen und verzichten auf das süße Gift des „die anderen haben mich nicht gelassen“.

Was heißt das für die berufliche Praxis?

Im beruflichen Kontext erleben wir oft Situationen, die wir nicht selbst gewählt haben und die uns mit unangenehmen Aufgaben konfrontieren oder uns vor schwierige Entscheidungen stellen. Dennoch haben wir die Wahl, ob wir uns als Opfer erleben – oder ob wir die Umstände analysieren, unsere Handlungsoptionen ausloten, und uns dann gezielt für eine entscheiden.

Selbstführung: Drei Fragen für die eigene Gestaltungskraft 

Wann immer Sie in sich den Impuls wahrnehmen, in die Opferecke zu flüchten, können Sie an Ihrer Gestaltungskraft arbeiten. „Warum“- Fragen sind dabei nicht hilfreich, denn sie lenken unsere Energien von den gestalterischen Möglichkeiten ab führen uns stattdessen zur Ursachen- oder auch zur Schuldigensuche.

Nützlicher ist es, die innere Aufmerksamkeit auf die Frage zu richten, wie Sie ein bestimmtes Problem wieder vom Tisch bekommen – und was der nächste hilfreiche Schritt dazu sein könnte. Denn auch innerhalb vorgegebener Rahmenbedingungen verfügen wir immer noch über die Entscheidungsfreiheit, wie wir mit einer gegebenen Situation umgehen. Folgende Fragen helfen dabei, uns selbst zu führen:

1. Was kann ich in der vorliegenden Situation tun um mit der Situation umzugehen? (welche Optionen stehen mir offen?)

2. Welche dieser Optionen wähle ich?

3. Und was ist der nächste hilfreiche Schritt dazu?

Achtung Falle – in alte Muster purzeln 

Der Trick dabei ist, inne zu halten und sich Zeit zu nehmen, die zur Verfügung stehenden Optionen durch zu denken, um nicht in die Falle vorgefertigter Muster zu purzeln. Denn wir alle tragen einschränkende Prägungen in uns, die uns manche Optionen gar nicht sehen lassen – oder die sie uns zwar sehen lassen, aber ein deutliches inneres Verbotsschild davor aufstellen („Ich muss das akzeptieren denn sonst bin ich keine gute Mitarbeiterin“, „Das geht mir zwar gegen den Strich, aber die anderen könnten mich für unkollegial halten“, „Ich kaufe nie Tiefkühlpizza, denn gute Eltern kochen immer selbst“). Selbsterfahrung hilft dabei, den verdeckten inneren Programmen und einschränkenden Überzeugungen auf die Schliche zu kommen.

Und schließlich kommt es darauf an, eine Entscheidung aus dem Kanon der Optionen bewusst zu treffen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Der Lohn dafür wird sein, sich selbst immer öfter als gestaltende Person zu erleben und Schritt für Schritt zu ermächtigen.

Sind Sie bereit die Opferecke zu verlassen?

Haben Sie Lust zu gestalten?